Ist das Leben ein Spiel?

Das Leben ist ein Spiel

Das Wort „Spiel" wird hier mit Bedacht verwendet. Wenn man in einen bisweilen titanischen Existenzkampf verstrickt ist, lässt man leicht die Tatsache außer Acht, dass es im Leben Freude gibt. Man bezweifelt leicht, dass es so etwas wie Spaß geben kann. In der Tat beginnen Leute, wenn sie an die dreißig sind, darüber nachzudenken, was mit ihrer Kindheit geschehen ist, als sie Dinge wirklich zu genießen verstanden.

Man beginnt, sich die Frage zu stellen, ob „die Freude am Leben" nicht selbst eine Art Falle ist. Und man denkt allmählich, dass es nicht gut ist, sich allzu sehr für neue Leute und neue Dinge zu interessieren, da diese einem doch nur Kummer machen werden. Es gibt Leute, die sich in Anbetracht der Tatsache, dass Verlust so großen Schmerz verursacht, entschlossen haben, besser erst gar nichts zu erwerben. Es ist, ihrer Meinung nach, weitaus besser, ein Leben nur mittelmäßiger Entbehrungen zu führen, als ein Leben in beträchtlichem Luxus, da dann Schmerz über den Verlust dessen, was sie haben, weit geringer wäre.

Das Leben ist jedoch ein Spiel. Es ist sehr einfach, im Basketball oder im Fußball das Spiel zu sehen. Es ist nicht so einfach, das Leben als Spiel zu sehen, wenn man gezwungen ist, vor Sonnenaufgang aufzustehen, und erst nach Sonnenuntergang nach Hause kommt; nach einem Tag beschwerlicher und verhältnismäßig schlecht entlohnter Mühen. Man wird wahrscheinlich bestreiten, dass eine solche Tätigkeit überhaupt ein Spiel sein könnte. Nichtsdestoweniger ist es offensichtlich, wie sich in verschiedenen Versuchen zeigte,  dass das Leben im Wesentlichen ein Spiel ist, gleichgültig, welche emotionale Stufe darin vorherrschend ist oder nicht. Und dass die Elemente des Lebens selbst die Spielelemente sind.

JEDE ARBEIT IST EIN SPIEL

Ein Spiel besteht im Wesentlichem aus Folgendem: FREIHEIT, BARRIEREN und ZIELSETZUNGEN.

Es gibt sicherlich noch weitere Faktoren die an Spielen beteiligt sind:

Der wichtigste dieser Faktoren ist die Notwendigkeit in einem Spiel, einen Gegner oder Widersacher zu haben. Ebenso ist es eine Notwendigkeit, Probleme zu haben. Eine weitere Notwendigkeit besteht darin, genügend Individualität zu haben, um mit der Situation fertig zu werden. Um das Leben wirklich voll und ganz zu führen, muss man also, außer „etwas zu tun", eine höhere Zielsetzung haben. Und dieser Zielsetzung müssten, wenn sie überhaupt eine Zielsetzung sein soll, Gegen-Zielsetzungen entgegenstehen oder Zielsetzungen, die die Realisierung verhindern. Man benötigt einzelne Menschen, die der eigenen Zielsetzung oder den eigenen Aktivitäten Widerstand entgegensetzen. Und wenn diese Gegebenheiten fehlen, wird man sie mit Sicherheit erfinden.

 

Das Letztere ist sehr wichtig. Wenn es jemandem an eigenen Problemen, Gegnern und Gegen-Zielsetzungen mangelt, so wird er sie erfinden. Hier liegt praktisch die Gesamtheit der „geistigen Verwirrung". Aber direkter mit unseren Zielsetzungen verbunden, haben wir die Schwierigkeiten, die aus der Arbeit erwachsen.

 

Wenn wir einen Vorarbeiter hätten, der alles in seiner Umgebung fähig kontrollierte und nichts anderes täte, und wenn dieser Vorarbeiter seelisch nicht ganz ausgeglichen wäre (d. h., wenn er menschlich wäre), wir ihn dabei ertappen, wie er für die unterstellten Arbeiter Persönlichkeiten und Gründe erfindet, warum sie sich ihm widersetzen und auch tatsächlich Opposition erfindet. Wir werden ihn dabei ertappen, wie er eine oder mehrere seiner Arbeitskräfte aussucht, um sie mit seiner Meinung nach „sehr guten Gründen" zu verdammen; aber in Wirklichkeit aus keinem anderen Grund, als dass der Vorarbeiter aus einer Besessenheit heraus Gegner braucht. Nun, sehr viele damit zusammenhängende Klassifizierungen können hier hineininterpretiert werden und zwar mit Hilfe veralteter Analysen des Geistes. Aber keine von ihnen braucht untersucht zu werden. Tatsache ist, dass ein Mensch ein Spiel haben muss. Und wenn er keines hat, so wird er eines schaffen.Wenn dieser Mensch aberriert ist und nicht ganz kompetent ist, wird er ein außerordentlich aberriertes Spiel schaffen.

 

Wenn eine Führungskraft feststellt, dass in ihrer unmittelbaren Umgebung alles viel zu glatt verläuft, wird sie wahrscheinlich Schwierigkeiten schaffen, nur um etwas zu tun zu haben; es sei denn, diese Führungskraft befände sich in einer sehr guten geistigen Verfassung. So bekommen wir Geschäftsführungen, die oft ohne jede tatsächliche Veranlassung behaupten, dass die Arbeiter gegen sie seien. Gleichermaßen ist gelegentlich die Arbeiterschaft überzeugt, dass die Geschäftsführung, die in Wirklichkeit recht fähig ist, gegen sie eingestellt sei. Hier ist ein Spiel erfunden worden, wo es eigentlich kein Spiel geben kann. Wenn Leute sehr kurzsichtig werden, können sie nicht wirklich über ihre eigene Umgebung hinaussehen. Es gibt in jedem Büro, jeder Fabrik oder bei jeder Tätigkeit as Spiel des Büros, der Fabrik oder der Tätigkeit selbst gegen ihre Konkurrenz und gegen ihre äußere Umwelt. Wenn dieses Büro, diese Fabrik oder Tätigkeit und alle daran beteiligten Angestellten sich völlig vernünftig und effektiv verhalten, wählen sie die Außenwelt und andere Konkurrenzbetriebe für ihr Spiel.

 

Wenn sie dem nicht gewachsen und unfähig sind, das wirkliche Spiel zu sehen, erfinden sie ein Spiel. Und man wird beginnen, dieses Spiel innerhalb des Büros und innerhalb der Fabrik zu spielen.

 

Es gibt Spiele zwischen Einzelnen und solche zwischen Mannschaften. Mannschaften spielen gegen Mannschaften, Einzelne spielen gegen Einzelne. Wenn man einem Einzelnen nicht erlaubt, uneingeschränkt in der Mannschaft mitzuarbeiten, wählt er leicht andere Mitglieder der Mannschaft zum Gegner. Denn, denken Sie daran, der Mensch muss ein Spiel haben.

 

Aus diesen Komplexitäten erwachsen die verschiedenen Komplexitäten bei der Arbeit und die Probleme der Produktion und Kommunikation.

 

Wenn jeder in einer Fabrik fähig wäre, seinen eigenen Interessensbereich zu kontrollieren und die ihm zugewiesene Arbeit zu tun, dann gäbe es eigentlich keinen Mangel an Spielen. Denn es gibt andere Fabriken, andere Tätigkeiten in der Außenwelt, und diese versorgen jeden vernünftigen Betrieb ausreichend mit Spielen. Aber nehmen wir einmal m, dass die Leute in einer Organisation ihren eigenen Bereich nicht kontrollieren können, ihre eigenen Tätigkeiten nicht kontrollieren können und wie besessen versuchen, aberrierte Spiele um sich herum zu schaffen. Dann hätten wir den Fall, dass die Fabrik, das Büro oder der Konzern nicht fähig wäre, ihre Umgebung wirksam zu bekämpfen, und sie würden mangelhaft produzieren, wenn nicht gar zusammenbrechen.

 

Aberriert oder nicht aberriert, fähig oder nicht fähig, denken Sie daran, das Leben ist ein Spiel. Und das Motto jedes lebenden Individuums, jedes lebenden Teams lautet:

ES MUSS EIN SPIEL GEBEN.

NL. Zündorf

Quellen: Source Magazin Ausgabe 251

Buch Probleme der Arbeit