Die Mythologie der Indianer und Ureinwohner Nordamerikas

Häuptling Schidkröte der Schwarzfußindianer tanzt 1920 den Regentanz
Häuptling Schidkröte der Schwarzfußindianer tanzt 1920 den Regentanz

 

Unsere Reise  durch die Geschichte der Indianer Nordamerikas beginnt entlang der Küstenbereiche von Alaska, die seit Jahrtausenden von prächtigen Kulturen wie den Tlingit, Haida und Kwakiutl bewohnt sind. Diese Gebiete und Gewässer waren ihnen bereits lange vor der Ankunft von Außenseitern bekannt.

 

Seit Jahrhunderten fischen, jagen und gedeihen sie dort. Die Indianer haben ein hoch entwickeltes Religons- und Gesellschaftssystem auf der Grundlage einer tiefen Verbindung zur Natur und zu einer umfangreichen Kosmologie, die in ihrem täglichen Leben eine bedeutende Rolle spielen. Dieses System entspricht einer Art zu leben, wie sie auf die eine oder andere Weise in den etwa 500 Nationen der indigenen Völker in ganz Nordamerika, die dieses Land, lange bevor sie mit Europäern in Kontakt kamen, ihr eigen nannten.

 

Hier vermitteln wir Ihnen einen Blick in eine umfangreiche spirituelle Tradition,  eine Tradition, die auch heute noch durch verschiedene weiterhin ausgeübte Gebräuche lebendig erhalten wird.

 

DER EHRENHAFTE PFAD 

Angesichts überaus zahlreichen Kulturen der amerikanischen Indianer ist es schwierig, eine verallgemeinerte Darstellung zu geben, die für all die verschiedenen Indianernationen zutreffen würde. Insgesamt kann man aber sagen, dass die Gedankenwelt der Ureinwohner stets umfassend und ganzheitlich war und keine Schranken errichtete zwischen den verschiedenen spirituellen, moralischen, emotionalen, ästhetischen und wirtschaftlichen Aktivitäten und gesellschaftlichen Funktionen.

 

Sie sind alle in ein verschlungenes Verständnis dessen eingeflochten, was ein moralisches Pfad ist, der Rote Pfad, wie ein moderner indianischer Ausdruck für das Befolgen eines gerechten Pfads im Leben besagt.

 

Ein wichtiger Bestandteil dieses Glaubenssystems ist, dass das Leben und die Welt von Natur aus wunderschön sind. Da das Land das Leben unterstützt, ist es kostbar und muss bewahrt werden. Aber man muss es ständig behüten und ihm Aufmerksamkeit schenken, wie man es mit einem Garten tut, sonst treten Chaos und Zwist ein.

 

Indianernationen wie die Navajo oder Dineh, wie sie sich selbst nennen - der größte Stamm in Nordamerika - glauben, dass Schönheit in der Natur aller Menschen und Dinge liegt, weil die Welt von übernatürlichen Wesen, die heilige Leute genannt werden, als glücklicher, gesunder und harmonischer Ort entworfen wurde.

 

Es liegt aber an den Menschen, gewisse Regeln zu befolgen, die dieses Universum steuern. Ein Beispiel dafür war die Platzierung von Häusern und Dörfern in harmonischer Beziehung zum Land und zum Universum. Die Befolgung der Regeln bedeutete Harmonie, hrend ein Verumnis, sie zu befolgen, Krankheit, Verletzung und andere Übel zur Folge hatte.

 

Wenn unter den Navajo Probleme auftauchten, implementierten sie sehr spezifische heilige Zeremonien mit Gebeten und Sandgemälden, die heilige Leute darstellten. Es existierten mehr als 800 verschiedene Formen solcher Sandgemälde, die äußerst komplex aber unbeständig waren (sie wurden nach der Zeremonie weggefegt). Jedes war mit einem bestimmten Sprechgesang oder Problem oder einer bestimmten Zeremonie verbunden.

 

Die Navajo lebten ein relativ sesshaftes Dasein als Bauern Die Totempfähle mit ihren ausgeklügelten Holzschnitzereien und die reich kostümierten Tänze der Stämme an den Küsten im Nordwesten des amerikanischen Kontinents stellen am klarsten dar, wie sehr der Geist, der Stamm und die Verbindung zur Umwelt von elementarer Bedeutung für das tägliche Leben waren. In der Tat nimmt ein Großteil der Kunst dieser Region auf eine ursprüngliche Zeit Beziehung, als eine wesentlich fließendere Wechsel­wirkung zwischen Menschen, Tieren und Geistern herrschte und sogar Bündnisse wie eine Ehe geschmiedet wurden. 

 

Vom US-Bundesstaat Washington bis hinauf zum kanadischen British Columbia und zu Südalaska waren Kulturen wie die Haida und Bella Coola in erster Linie für drei Formen der Kunst bekannt: zweidimensionale Darstellungen - Malerei und Gravur; Schnitzereien ­wie etwa reich verzierte Tafeln, Kanus und Totemphle; und kompliziert geflochtene Körbe, Textilien und Hüte.

 

 Auch all sie waren im Einklang mit dem Glaubenssystem der Ureinwohner. Sie waren also nicht einfach Nutzgegenstände. und selbst wenn sie dekorativen Zwecken dienten, gingen sie über einfache darstellende Kunst hinaus. So dienten zum Beispiel ihre Totempfahle mit ihren kunstvollen Schnitzereien von Tieren wie etwa Raben und Killerwalen und auch von menschlichen und geistigen Wesen als Familienwappen, Gedenkstätten für verstorbene Vorfahren und sogar als kodifizierte Hinweise auf Beziehungen zu Wesen außerhalb der Familie des Menschen.

 

MIT DER ERDE UND DEN JENSEITS VERBUNDENE DYNAMIKEN 

Die Indianer Nordamerikas hatten ihr eigenes Verständnis der Dynamiken, 'die mit altehrwürdigen Protokollen und Traditionen verbunden waren. Auch diese waren von Kultur zu Kultur verschieden. Ihnen allen gemein war aber eine Form der Verantwortung für ihre persönliche Rolle (sie waren zum Beispiel Krieger, Häuptling oder Schamane) für ihren Stamm, ihre Nation und ihre unmittelbare Sprachgemeinschaft.

 

Eine weitere wichtige Beziehung, die bei den Indianern vorherrschte, war die Beziehung zu Tieren, sowohl zu Vierbeinern als auch zu Vögeln und Fischen. In ihrem Glaubenssystems hatte jedes Tier eine Seele und diese musste respektiert und beschwichtigt werden, um den Erfolg zukünftiger Jagden zu gewährleisten, damit das Tier seinen Einfluss nicht dazu verwenden würde, seine Spezies gegen den Jäger und sein Volk aufzubringen. Aus diesem Grund wusch der Cree- Indianer die Knochen eines erlegten Bibers und legte sie in einen Bach zurück. Er reinigte die Köpfe von Enten und Gänsen und hob sie auf. Er hob die Zähne von Karibu und Elchen und die Klauen und Schädel von Bären nicht nur als Talismane auf, sondern auch um das Tier zu anerkennen und ihm zu danken, dass es sein Leben opferte.

 

Selbst nachdem Sie gehäutet und gegessen worden waren, lieferten Tiere wichtige Hilfsmittel zum Wahrsagen und zur Kommunikation mit Geistern. Nördliche Stämme wie die Cree platzieren Schulterblätter von Elchen, Karibu und Hasen über ein Feuer. Die daraus resultierenden Spalten, geschwärzten Stellen und Brüche in den Knochen wurden dann von einem Schamanen interpretiert, der die Verantwortung für die Beratung seiner Stammesmitglieder trug.

 

Er stellte ganz allgemein für den Stamm die Hauptverbindung zum Bereich der Geister dar und führte deshalb spezielle Tänze durch, rezitierte Gebete und heilte Stammesmitglieder, indem er sich in Trance versetzte und so den machtvollen Einfluss von unsichtbaren Entitäten herleitete.

 

Eines der Hilfsmittel, das dem Schamanen zur Verfügung stand, um Leiden und damit verbundene spirituelle Ungleichgewichte zu beheben, war die Medizin- oder Schwitzhütte. Um den Betroffenen zu reinigen, enthielt die Hütte erhitzte Steine. Auch heilende Kräuter wie etwa Salbei und süß duftendes Gras wurden verwendet.

 

Das Vermächtnis der ersten Amerikaner war so wirksam, dass ihre Methoden heute mehr und mehr akzeptiert werden, so auch das Bewahren und Schützen der Umwelt und die Verwendung holistischer, pflanzenbasierter Arzneimittel.

 

Die Erschaffung der Tier-Menschen

 

Ein Auszug aus einem Schöpfungs-Mythos der Okanagan- Indianer

 

Die Erde war einst ein menschliches Wesen. Der Alte machte sie aus einer Frau. "Du wirst die Mutter aller Menschen sein", sagte er. Die Erde ist immer noch lebendig, aber sie wurde verändert. Der Boden ist ihr Fleisch, die Steine sind ihre Knochen, der Wind ihr Atem, Bäume und Gras sind ihr Haar. Und wir leben auf ihr. Wenn sie sich bewegt, dann haben wir ein Erdbeben.

 

Nachdem der Alte aus der Frau die Erde gemacht hatte, trug er einiges ihres Fleischs zusammen und formte es zu Kugeln, wie es Menschen mit Schlamm oder Lehm tun. Er machte die erste Gruppe dieser Kugeln zu den Uralten, den Wesen der frühen Uralten.

 

Die Antiken waren Menschen, aber auch Tiere. Einige hatten eine menschliche Form, während andere auf allen Vieren gingen wie Tiere. Einige konnten wie Vögel fliegen, andere schwammen wie Fische. Aber alle hatten die Gabe der Sprache und auch mehr Macht und Schlauheit als Tiere oder Menschen.

 

Neben den Uralten lebten zu jener Zeit auch wirkliche Menschen und wirkliche Tiere auf der Erde. Der Alte machte die Menschen aus den letzten Schlammkugeln, die er von der Erde genommen hatte. Er rollte sie wieder und wieder, formte sie wie Indianer und blies auf sie, um sie lebendig zu machen. Sie waren so unwissend, dass Sie die hilflosesten aller Geschöpfe waren, die der Alte gemacht hatte.             j

 

Der Alte machte Menschen und Tiere zu Männern und Frauen, damit sie sich vermehren und vervielfachen würden. So kamen alle Lebewesen von der Erde.

 

Wenn wir uns umschauen, sehen wir überall einen Teil unserer Mutter.

Quelle:  Advance Magazin der AOSH EU, 49. Jahrgang, Ausgabe 2